Die chinesische Mini-Schule in Konstanz_______________________
CVK                                                                                                                29. Mai 1999
 

     "Die Schulranzen auf der Schulter tragend, gehen wir zur Schule. Wir fürchten uns weder vor Regen noch vor Wind. Wir gehen zur Schule. Wir möchten nicht, daß uns der Lehrer Faulheit vorwirft. Hätten wir in der Schule zu wenig gelernt , würden wir uns schämen und das Gesicht vor unseren Eltern verlieren..." . Das ist ein Auszug aus dem wohl bekanntesten und populärsten Kinderlied in China, an dem auch die deutschen Besucher des 2. Kulturfestes Gefallen fanden.  In traditionelle Kleider gehüllt trugen die chinesischen Kinder hüpfend und tanzend dieses Lied vor. Sie singen dieses Lied,  noch bevor sie seinen eigentlichen Inhalt richtig begriffen haben.

        Seit uns der große Meister Konfuzius vor 2000 Jahren lehrte, daß unter allen Dingen das Lernen, bzw. Studium das Wertvollste sei ( Zitat: wan ban jie xia pin, wei you du shu gao), fühlen sich die chinesischen Eltern aus allen sozialen Schichten verpflichtet,  ihre  Kinder zur Schule zu schicken, auch wenn es für viele Familien eine finanzielle Belastung bedeutet(e). So ist das Lernen in jeder chinesischen Familie groß geschrieben. So auch in denen, die sich außerhalb der Landesgrenze Chinas z.B. in Konstanz befinden.

    Konstanz ist eine wunderschöne Stadt am Bodensee. Es hat sich auch als Universitätsstadt einen Namen gemacht . Schließlich ist jeder siebter Bürger ein Student. Die Universität Konstanz gehört zu den ersten  Universitäten Deutschlands, die Kontakt zu chinesischen Universitäten und Hochschulen aufgenommen haben. Unter der Leitung des ehemaligen Rektors Professor Dr. Sund ist die  Zusammenarbeit in der wissenschaftlichen Forschung und im akademischen Austausch zwischen der Universität Konstanz und den chinesischen Universitäten und Hochschulen kontinuierlich und erfolgreich  vorangetrieben worden.  Es kommen und gehen viele chinesische Akademiker und Studierende. Manche von ihnen haben Familienangehörige und Kinder hier. Zur Zeit sind es mehr als 20 Überseechinesen-oder deutsch-chinesische Familien in Konstanz und in dessen Umgebung. Sie haben insgesamt an die 30 Kinder, die hier in Deutschland geboren oder aufgewachsen sind. Fast alle Eltern haben die selben Gedanken, daß ihre Kinder außer Deutsch, welches  die Kinder nach einiger Zeit meistens ohne Probleme beherrschen,  noch die Muttersprache lernen müssen. Nicht nur , weil die Eltern oft nach einem mehr oder weniger langen Aufenthalt in Deutschland wieder nach China zurückkehren, sondern weil sie erkannt haben, daß ihre Kinder später bessere Berufschancen haben würden, wenn sie Chinesisch, eine der wichtigsten Sprachen dieser Welt, beherrschten.

            Jeder weiß, daß Chinesisch eine sehr schwere Sprache ist. Um diese Sprache zu lernen braucht man nicht nur Willen, sondern  auch Ausdauer, weil man nicht behaupten kann, daß er diese Sprache beherrscht, wenn er sie nur verstehen und sprechen, aber nicht lesen und schreiben kann. Wie man diesen Kindern Chinesisch beibringen soll, ist ein wichtiges Gesprächsthema unter den Eltern, wenn sie sich ab und zu auf einer Party oder auf einer Feier zusammen treffen.

            Ende 1997 wurde die Vereinigung der chinesischen Studenten, Akademiker, Wissenschaftler und Überseechinesen in Konstanz und deren Umgebung e. V.(gekürzt: CVK e.V.) angesprochen. Seitens der Eltern wurde der Wunsch geäußert, in Konstanz eine chinesische Schule zu gründen. Nach dem Entschluß der CVK , dem Vorschlag zu folgen, wurde Herr Peng beauftragt, diesen Plan in die Tat umzusetzen.

           In den folgenden Monaten wurde daher intensiv nach einem  passenden Klassenzimmer und einer geeigneten Lehrkraft gesucht. Dabei ist man jedoch auf viele unvorhersehbare Probleme gestoßen, wie zum Beispiel: Die Haftpflichtversicherung von allen chinesischen Kindern, die diese Schule besuchen werden;  hohe Miete; Unterrichtszeit außerhalb der Öffnungszeit gewisser Institutionen; eventuelle Lärmbelästigung der Anwohner  usw.

        Außerdem stellt die Finanzierung der Schule ein Problem dar, weil von den ca. 30 Kindern nur etwa 10  in dem Grundschuljahr sind, während die anderen entweder zu alt der zu jung sind um die Schule zu besuchen. Da viele Eltern nur von  den knappen Stipendien leben, kann man keine übliche Schulgebühr verlangen. Es wurden viele Gespräche mit verschiedenen Institutionen wie z.B. den Verwaltungen der Studentenwohnheime und Kirchengebäuden, des Seniorenzentrums, der Volkshochschule, Kikuz usw. geführt. Jedoch wurde man meistens freundlich abgelehnt. Schließlich hat das katholische Freizeitzentrum für Mädchen (im Kolpinghaus) unseren Antrag angenommen und uns nach der Billigung der Zentrale in Freiburg das Klassenzimmer für 3 Stunden pro Woche vermietet.

          Nach der Besichtigung des Unterrichtsraums waren die Eltern zufrieden und stimmten dem Schulbesuch ihrer Kinder zu . Und auf das Lehrwerk haben sich die Eltern auch geeinigt. Ein einheitliches Lehrwerk wurde von dem Vater eines Schülers auf seiner Chinareise bestellt und mit nach Deutschland gebracht.    Nun ist alles gut vorbereitet. Es fehlte nur noch eine entscheidende Bedingung: die Ankunft von  dem "Jahr des  Tigers".

      Gleich nach dem Frühlingsfest startete die chinesische Mini- Schule mit ihren 10 Schülern in 2 verschiedenen Klassen: dem Einführungskurs und dem Grundkurs. Freitags nachmittag von 15:30 bis 18:30 findet der Unterricht statt. Es kommen sogar einige Schüler -  in Begleitung eines Elternteils -aus  Radolfszell, Stockach, Singen und Meersburg und auch aus der Schweiz, was für die Betreffenden einen riesigen Zeitaufwand bedeutet. Aber sie kamen und kommen immer noch, weil sie wissen, daß es in einem Umkreis von 150 Kilometern keine zweite chinesische Schule gibt und daß die Gründung dieser Schule sehr mühselig war, und daß die Fortführung der Schule auf die Zusammenarbeit   und Unterstützung aller Eltern angewiesen ist.

           Drei Stunden in einer Woche sind eigentlich viel zu wenig, aber es gibt den Kindern eine gute Gelegenheit, in einer spezieller Umgebung mit anderen Kindern kollektiv die Muttersprache zu lernen. Die Lehrerin verlangt von den Kindern, in dieser Schule ausschließlich auf Chinesisch zu sprechen, was für viele gar nicht so einfach oder selbstverständlich ist.  Es ist eher schwierig, wenn man denkt, daß diese Kinder sich fünf mal  in der Woche tagsüber im Kindergarten oder in der Schule mit anderen deutschen Kindern eben nur auf Deutsch verständigen. Die Atmosphäre, die die Schule schafft, trägt viel dazu bei, die Kinder zum Sprechen, Lesen und Schreiben zu motivieren.

        Die Zeit vergeht so schnell wie das fließende Wasser des Rheins.  Im Handumdrehung sind 15 Monate vergangen. Die kleinen Kinder in Einführungskurs haben sich nicht nur mit Pingyin (Buchstabierung
der chinesischen Wörter) vertraut, sie haben auch über Hundert Schriftzeiten zu schreiben gelernt. In dem Grundkurs können die älteren Kinder noch mehr Schriftzeichen. Der beste Schüler dieser Klasse hat den Text des komischen Dialogs "Vater und Sohn" bei erstem Durchlesen schon so gut verstanden, daß er 3 Tage später mühelos die Rolle als Sohn  auf der traditionellen Frühlingsfestsfeier in  Konstanz hervorragend hat spielen können, was beim Publikum zu begeisterten Beifall geführt hat.

         Wie bei allen neuen Dingen sind seit der Gründung der  Schule auch  viele Schwierigkeiten eingetreten: Der geringen Anzahl  von Schülern wegen hat die Schule kaum eine Möglichkeit, etwas Innovatives zu unternehmen. Außerdem sind bereits einige Kinder mit ihren Eltern verzogen. Und das Freizeitzentrum hat inzwischen den Mietvertrag gekündigt, so daß wir uns nach einem anderen  Unterrichtsraum umsehen müssen.  Es ist nicht einfach, all diese Probleme  auf einmal zu bewältigen. Aber wir werden nicht aufgeben und tun unser Bestes.

Foto1:  Schüler der Klasse I und  ihre beiden Lehrerinnen.  ( sitzend von links nach rechts:  Liding Zhang, Yue Ren, Danna  Feng (Lehrerin) , Yang Ban, Jisheng Li, Xinyi Shi(Lehrerin), Willy Peng, Tian Xia,

Foto2:  Einige Schüler stehend.
 

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